Warum ist es Quatsch wenn eine Sechzigjährige Bauchfrei trägt?

„Heute hab ich eine Frau gesehen die war bestimmt sechzig und hat ein bauchfreies Top getragen.“

„Na das ist ja Quatsch!“

Neulich war ich Teil dieses Gesprächs. In dem Moment hab ich mit einem kleinen Bauchzwicken – weil ich die momentane Mode als Inbegriff des Sexismus empfinde – zugestimmt. Im Nachhinein denke ich warum ist das eigentlich Quatsch? Warum hat die knackige Sechzehnjährige das „Recht“ dazu bauchfrei zu tragen und bei der Sechzigjährigen nennt mensch es Quatsch? Ist das nicht der eigentliche Sexismus? Solange der Male gaze bestimmt wer was tragen „darf“ oder sollte ist niemensch wirklich frei. Weder Frau noch Mann noch jede*r andere, denn wann hat mensch schon einen Mann auf der Straße mit bauchfreiem Top gesehen. Das wäre ja lustig, nicht wahr?

Aquarellbild von maskulin aussehenden Figuren mit runden Körpern, der eine Mensch trägt bauchfrei

Und jetzt ist die Frage: Wollen Frauen wirklich bauchfrei tragen? Wäre der Sechzehnjährigen aber auch der Sechzigjährigen die volle Tragweite ihrer Handlung bewusst und der Einfluss der auf sie selbst gewirkt hat, bis sie diese Entscheidung getroffen hat, würde sie dann zu dem bauchfreien Top greifen? Vielleicht denkt sie es ist ihr egal oder sie denkt einfach nur nicht darüber nach, dass dieses handeln anderen Frauen und höchstwahrscheinlich auch ihr selbst in gewissem Maße schadet, weil es zum ewigen Vergleichen des eigenen Körpers mit anderen führt, zu Konkurrenzdenken, zu geringem Selbstwertgefühl und zu weitaus schlimmeren Folgen wie Magersucht und Selbstverletzung. Doch was weitaus schlimmer ist, dass es dem *Patriarchat neue Macht verleiht und uns alle zu seinen Untertanen macht. Und das Patriarchat hat durch Jahrhunderte von Machtkämpfen die Modeindustrie zu dem gemacht was sie heute ist, nämlich dem Diktat der Sexualisierung des weiblichen Körpers. Warum sollten wir uns dem untergeben?

Andererseits: es ist auch das Patriarchat das durch die Münder unserer Mütter spricht wenn sie sagen: „Du bist aber dick geworden!“ oder: „Die Hose kannst du nicht tragen, da sieht dein Arsch fett drin aus.“. Es ist das Patriarchat das auch ihnen diktiert hat, dass sie sich nur zeigen dürfen so lange sie dem Male Gase genügen. Sobald sie nicht mehr „schön genug“ sind, gilt es sich zu verhüllen. Darunter haben sie gelitten und sie geben das Leid an uns weiter, weil sie ein Leben voller Frustrationen mit sich tragen, darüber dass sie nicht schön genug waren um das zu tragen dass sie gerne tragen wollten, darüber dass Männer mehr Privilegien genossen haben als sie, darüber dass sie oberflächlich bewertet wurden und sie nicht frei waren zu handeln wie sie es im Innersten gerne wollten. Vielleicht mag all das reichen unseren Müttern zu verzeihen und unseren Vätern dafür dass sie uns erklärt haben welche Frau im Film den Helden bekommen sollte, weil sie die größeren Brüste hat, denn sie kann ja nicht selbst die Heldin sein. All das können wir ihnen vielleicht verzeihen wenn wir bedenken dass sie nur Sklav*innen des Patriarchats waren. Doch Verzeihen heißt auch dass wir dieses Verhalten nicht gutheißen und nicht an unsere Kinder weitertragen sollten.

Feminin aussehende Figuren mit runden Formen

Ist es nun für oder gegen das Patriarchat wenn wir ein bauchfreies Top anziehen? Können wir so tun als gäbe es das Patriarchat nicht? Würde es dann Bauchfreie Tops geben und tiefe Ausschnitte und hautenge Lackhosen? Wahrscheinlich nicht. Willst du dich dem Patriarchat untergeben und dich dem Male Gase entsprechend anziehen, oder willst du dich dem Patriarchat untergeben und dich verhüllen weil du nicht „schön genug“ bist? Wäre es die Lösung wenn sich einfach alle Menschen die den Schönheitsidealen entsprechend „schön“ sind verhüllen und die die „hässlich“ sind sich entblößen? Und wer bestimmt das überhaupt? Und währe das nicht einfach nur eine neue Form des Diktats?

Muss mensch überhaupt schön sein?

Schreib mir gerne deine Meinung dazu.

Why we matter: Das Ende der Unterdrückung Buch von Emilia Roig
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Wenn du ein Buch lesen möchtest das Anregungen für neue Gesellschaftsformen und -normen gibt, kann ich dir sehr „Why we matter: Das Ende der Unterdrückung“ von Emilia Roig ans Herz legen.

*Wenn ich in meinem Blog von dem Patriarchat schreibe, dann ist dies nicht auf Männer als Personen bezogen sondern auf das gesellschaftliche System das Frauen und Männer in ein enges Korsett der Rollenbilder zwängt und sie in ihren Freiheiten einschränkt.

Liebe Grüße,

dein Kullibri

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